Kalevis Tagebuch

    • Offizieller Beitrag

    Tagebucheintrag 1


    Menschen. Wie ich sie hasse. Wie ich sie verabscheue. Beinahe so sehr wie die tätowierten Teufel. Alles, was sie können, ist töten und zerstören.
    Als sie dieses riesige Steinmonster namens Avalon an den Rand des Waldes gebaut haben, habe ich nichts gesagt. Als sie die Tiere und Pflanzen des Waldes getötet haben, um damit ihre Ressourcen zu sichern, habe ich auch nichts gesagt.
    Aber seit dieses verabscheuungswürdige Volk von den tätowierten Teufeln belagert wird (die im Übrigen mindestens genau so schlimm sind), töten sie noch mehr Tiere und holzen noch mehr Bäume ab, weil ihre Ressourcen angeblich schwinden.
    Sollen sie doch ihre eigenen Kameraden töten und deren Haut tragen, wenn ihnen kalt wird. Wenn das so weitergeht, wird es bald keinen Wald mehr geben. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich sie hasse!



    Tagebucheintrag 2


    Mein Kommandant hat mir befohlen, eine Patrouille durch den nördlichen Wald anzuführen. Unsere Späher haben angeblich tätowierte Teufel ausgemacht, die über den Pass in Richtung Süden marschierten. Meine Kameraden munkeln, dass sie vielleicht auf dem Weg nach Avalon sind, um die Festung von der Rückseite her auszukundschaften. Sollen sie doch, nur zu. Sollen sie die Burg überrennen, dann sind wir diesen Abschaum von Menschen endlich los. Doch was würde sich ändern, wenn diese Brut von schlammfressenden Halbaffen die Menschen als Geißel dieser Welt ablösen? Ich mag mir gar nicht ausmalen, welch Grauen uns dann bevorstünde.



    Tagebucheintrag 3


    Unsere Späher hatten Recht. Eine kleine Kundschaftertruppe der tätowierten Teufel schlich durch den Wald in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Was erdreisten sie sich? Wie können sie es wagen, den Wald mit ihrer bloßen Anwesenheit zu besudeln?
    Dachten sie wirklich, wir Elfen würden nicht jeden ihrer Schritte beobachten? Oh, wie sie sich irrten. Ich habe sie meine Klinge kosten lassen, jeden einzelnen von ihnen. Es tut mir nur leid um den Waldboden, der das Blut dieser Kreaturen aufsaugen musste.
    Ich hoffe, sie und die Menschen werden einander alle umbringen, bis keiner mehr von ihnen übrig ist.



    Tagebucheintrag 4


    Heute ist ein schrecklicher Tag. Mein Kommandant sagte mir, dass ihm meine Einstellung gegenüber den Menschen nicht gefiele. Schließlich seien sie auch Lebewesen dieser Welt und uns in gewissem Maße nicht unähnlich. Das ist nicht lache! Diese anmaßenden Geschöpfe sind uns Elfen überhaupt nicht ähnlich. Selbst der Dreck unter meinen Stiefeln ist mehr wert als sie! Das habe ich ihm dann auch gesagt. Er meinte, ich hätte meine Wut nicht unter Kontrolle und würde mich von meinem Hass auf die tätowierten Teufel blenden lassen. Ja, sieht er denn nicht, was die Menschen dieser Welt antun? Will er nicht wahrhaben, wie sehr unser Wald unter ihrer Anwesenheit leidet? Doch was macht dieser Mann stattdessen? Er lässt mich versetzen. Zu den Menschen. Zu den MENSCHEN!
    Ich muss würgen, wenn ich nur daran denke. Er meinte, es würde mir gut tun, eine Weile unter Menschen zu verbringen, damit ich sehe wie sie leben und verstehe, dass sie nicht so schlimm sind, wie ich immer behaupte. Dieser...
    Aber was wäre ich für ein Elf, den Befehl meines Hauptmannes zu verweigern? Man würde mich vermutlich aus der Elfenstadt verbannen und ich müsste ein Leben als Ausgestoßener fristen. Das wäre das Schlimmste für mich. Noch schlimmer, als mich den Menschen anzubiedern. Obwohl es dem fast gleichkommt. Aber sei es drum. Befehl ist Befehl.
    Im Morgengrauen soll ich paar meiner Männer zusammentrommeln und mich zum Vorposten begeben, ein kleiner Außenposten Avalons, am südlichen Waldrand gelegen. Dort sollen angeblich Elfen und Menschen miteinander leben und Hand in Hand zusammenarbeiten. Mir wird schlecht bei dem Gedanken daran.



    Tagebucheintrag 5


    Wir haben den Vorposten am frühen Abend erreicht. Der Wald leidet. Ich konnte es auf der gesamten Reise spüren. Seltsamerweise haben wir keine tätowierten Teufel gesehen.
    Kurz vor unserer Ankunft sprang ein Kundschafter der Menschen von einem Baum herunter und fragte uns, wer wir sind und was wir hier zu suchen hätten. Ich habe dieser kahlköpfigen Missgeburt gesagt, dass er sich fortscheren soll. Hat er geglaubt, ich hätte ihn nicht schon längst bemerkt, wie er da im Baumwipfel kauerte? Ich hätte ihn sofort mit einem Pfeil vom Baum herunterholen sollen. Wie unorganisiert ist dieses Volk eigentlich? Haben sie ihren Spähern nichts von unserer Ankunft gesagt? Ich kann nur hoffen, dass die Elfen des südlichen Waldes durch die Anwesenheit der Menschen nicht schon verdorben wurden. Ich sollte so etwas nicht über mein eigenes Volk sagen...



    Tagebucheintrag 6


    Der Befehlshaber des Vorpostens hat uns in Empfang genommen. Er ist ein Mensch! Ich hätte es mir denken können. Meine Hoffnung, ein Elf hätte die Leitung, ist damit zunichte.
    Er hat mir zur Begrüßung die Hand ausgestreckt und sich als Hauptmann Holden vorgestellt. Ich musste mich zurückhalten, seine Hand nicht anzuspucken. Stattdessen stand ich einfach nur da und schaute ihn an. Seltsamerweise machte ihm das überhaupt nichts aus. Wenn er denkt, ich würde ihn als Hauptmann ansprechen, hat er sich getäuscht.



    Tagebucheintrag 7


    Heute morgen habe ich den Kommandanten der Talwache kennengelernt. Sein Name ist Taavi, ein starker und fähiger Elfenkrieger. Er teilt zwar nicht meine Meinung über die Menschen, aber dennoch habe ich Respekt vor ihm. Nicht, weil er einen höheren Rang hat als ich, sondern weil ich in seinen Augen ein Feuer sehe, welches ich bei den Bewohnern der Elfenstadt vermisse. Er versteht es wie kein Zweiter, sich leise und unerkannt fortzubewegen.
    Ich habe auch die anderen Elfen kennengelernt, die hier im Vorposten leben. Zwei der Wachposten, Maki und Eikki, haben mir erzählt, dass hier im Südlichen Wald ein Einhornpärchen lebt. Mir bleibt nur zu hoffen, dass die Menschen dieses einzigartige Wunder der Natur in Ruhe lassen. Aber die Elfen und die Menschen scheinen hier erstaunlich gut miteinander auszukommen. Sie sitzen sogar abends zusammen am Feuer und plaudern über ihre Erlebnisse. Ich verstehe sie einfach nicht.



    Tagebucheintrag 8


    Ich bin in tiefer Trauer. Mein Herz ist zerrissen. Meine Männer und ich wurden heute ausgesandt, um unter der Führung eines Elfen namens Oskari die Gegend auszukundschaften. Dabei entdeckten wir einen Verband von tätowierten Teufeln, der einen Versorgungswagen über die Straße nach Osten schob. Als wir sie angriffen, sprangen plötzlich ein halbes Dutzend Krieger und ein Zauberer aus dem Wagen. Wir konnten unsere Feinde nach einem langen und zähen Kampf besiegen, doch zwei meiner Kameraden, Olivi und Geshivi, haben es nicht geschafft. Sie waren meine besten Freunde, wir sind zusammen in der Elfenstadt aufgewachsen. Diese verfluchten tätowierten Ketzer! Das werden sie mit Blut bezahlen!



    Tagebucheintrag 9

    Es ist jetzt schon zwei Wochen her und wir haben viele Patrouillen durch den Wald unternommen, aber ich komme noch immer nicht über den Verlust meiner Freunde hinweg. Ein Mensch hat versucht mich zu trösten. Das hätte er besser lassen sollen. Ich habe ihm seine Hand weggeschlagen und ihn angebrüllt, er solle mich in Ruhe lassen. Ich denke, er hat es verstanden.
    Oskari erzählte mir heute am Lagerfeuer, dass die tätowierten Teufel eigentlich Sha'ahoul genannt werden. Sie sind eine Kreuzung aus Orks und Menschen. Nichts anderes habe ich erwartet. Wenn sie zur Hälfte Menschen sind, erklärt das ihre zerstörerische Art. Nichts Gutes kommt von den Menschen.



    Tagebucheintrag 10


    Letzte Nacht ist etwas unglaublich Schreckliches passiert! Seit dem Tod meiner Kameraden ist dies das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Wir haben auf unserer nächtlichen Patrouille ein totes Einhorn gefunden. Es wurde erschlagen. Welche Kreatur ist so grausam, eines der schönsten Geschöpfe dieser Welt zu töten? Ich kann die Trauer und Wut in meinem Herzen kaum beschreiben. Taavi sagt, dass es sich um die Partnerin von Mikki handelt, dem ältesten Einhorn des Waldes. Wir Elfen werden heute abend am Feuer gemeinsam trauern. Wehe dem Menschen, der es wagt, uns dabei zu stören.



    Tagebucheintrag 11

    Der Wald stirbt. Ich kann es spüren. Alle Elfen können es spüren. Nur diese gefühlskalten Menschen nicht. Sie fühlen nichts, sie zerstören nur.
    Seit die Partnerin von Mikki getötet wurde, ist nichts mehr so, wie es einmal war. Die Bäume sterben ab, ihre Blätter färben sich braun und fallen zu Boden. Die Tiere sind still. Kein Vogel weit und breit, nur das Heulen der Wölfe auf den Hügeln im Nordwesten.
    Das ist alles nur die Schuld der Menschen. Wenn sie nicht wären, würden auch die tätowierten Teufel nicht in dieses Land einmarschieren und das Einhorn wäre noch am Leben.



    Tagebucheintrag 12


    Ein Kundschafter aus Avalon ist gerade eingetroffen und hat sich ausgiebig mit diesem Holden unterhalten. Er hat seine Kleidung gewechselt und viele Sachen in seine Taschen gepackt, so als würde er auf Reisen gehen. Ich frage mich, was die Menschen vorhaben.



    Tagebucheintrag 13


    Heute ist ein junger Offizier samt Gefolge angekommen und hat Holden einen Brief überbracht. Dieser Kundschafter von heute morgen läuft seitdem nervös auf und ab. Der Brief muss sehr wichtig für die Menschen sein.
    Unsere Späher berichten, dass im Norden tätowierte Teufel gesichtet wurden. Angeblich haben sie dort sogar ein Lager aufgeschlagen. Dieser junge Offizier wurde von Holden ausgeschickt, um sich um das Problem zu kümmern. Bevor er sich auf den Weg gemacht hat, versuchte er, mir ein Gespräch aufzuzwingen. Da konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich habe ihm alles entgegen geschrien, was ich von ihm und seiner Art halte. Ich hatte eigentlich erwartet, dass dieser milchtrinkende Jüngling in Tränen ausbricht,
    aber stattdessen schaute er mich mit ernstem Gesichtsausdruck an und entgegnete nur „Vielleicht wird es eines Tages anders zwischen uns sein.“ Glaubt er allen Ernstes, er wäre anders als die übrigen Menschen? Erhofft er sich, meine Meinung gegenüber seiner
    verkommenen Sippe würde sich ändern?



    Tagebucheintrag 14


    Dieser junge Mensch hat es tatsächlich geschafft. Mit nur zwei Gefolgsleuten, einem Ritter und einem Zauberlehrling, hat er ein komplettes Lager der Sha'ahoul dem Erdboden gleichgemacht. Eikki sagte mir, dass dieses Lager genau auf der Route liegt, die dieser komische Kundschafter nehmen soll. So hätte ich diesen Bengel ich nicht eingeschätzt. Ihm scheint es an Kampfgeist nicht zu mangeln. Aber soll ich deswegen beeindruckt sein? Er ist schließlich ein Mensch...



    Tagebucheintrag 15


    Sobald sich die Nachricht über das geräumte Lager der tätowierten Teufel im Vorposten verbreitet hatte, ist der Kundschafter der Menschen überraschend schnell aufgebrochen. Ich habe mich heimlich an seine Fersen geheftet, um zu sehen, wohin er unterwegs ist. Doch dieser Drecksack hat mich bemerkt. Wie konnte das nur passieren? Ich werde langsam nachlässig. Das liegt sicher an dem Satz von diesem jungen Offizier. Er will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen.
    Ich habe den Rückweg zum Vorposten angetreten und den Kundschafter ziehen lassen...



    Tagebucheintrag 16


    Ich muss meine Gedanken sammeln, um überhaupt etwas zu Papier zu bringen. Denn heute morgen ist etwas Seltsames passiert. Etwas, was meine komplette Welt auf den Kopf gestellt hat...
    Die Männer waren alle ganz aufgebracht und erzählten mir, dass dieser junge Offizier dem Einhorn das Leben gerettet hat. Er betrat mit seinem Gefolge eine Lichtung und sah, wie ein paar Sha'ahoul versuchten, Mikki zu töten. Ohne zu zögern warf er sich in den Kampf und rettete das Einhorn vor dem sicheren Tod.
    Das ist nicht möglich. Ich kann es nicht glauben. Dieser Mensch hat das beschützt, was uns Elfen in diesem Wald am meisten bedeutet. Sollte meine Einstellung gegenüber den Menschen doch falsch sein? Ist all das, was ich über die Menschen zu wissen glaubte, eine Lüge? Ich werde die nächste Nacht nutzen, um darüber nachzudenken.



    Tagebucheintrag 17


    Ich lag ja so falsch. Mein Kommandant in der Elfenstadt hatte recht. Mein Hass auf die Menschen war unbegründet. Die Taten der tätowierten Teufeln waren in Wirklichkeit das, was mich zu diesem Hass auf alles außer meinesgleichen getrieben hat. Und der Tod meiner Kameraden Olivi und Geshivi hat alles nur noch weiter geschürt. Ich glaube, ich sollte mich bei jemandem entschuldigen...



    Tagebucheintrag 18


    Heute bin ich auf den jungen Offizier zugegangen und habe ihm gesagt, dass mir das, was ich bei unserem ersten Treffen sagte, unendlich leid tut. Und ich habe etwas getan, was mir vor einigen Tagen noch völlig absurd vorgekommen wäre: ich habe ihm angeboten, ihn eine Weile auf seinen Wegen zu begleiten, um diese Schuld abzutragen. Er antwortete mir mit den Worten „Euer Bogen ist mir willkommen, aber Eure Freundschaft noch mehr.“
    Möge dies der Anfang eines mächtigen Bündnisses sein.

    Und Gott sprach:
    "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
    Und so lächelte ich und war froh
    ... und es kam schlimmer.